Ich darf als Hypnosetherapeutin und Journalistin immer wieder Menschen begegnen, die Erstaunliches erreichen. Darum möchte ich an dieser Stelle die Geschichte eines Mannes erzählen, der trotz schwerer Krankheit den Weg zurück ins Leben schaffte.
Dass Edi Knüsel noch lebt, grenzt an ein Wunder. „Ich war in einem wirklich schlimmen Zustand, mich plagten schreckliche Schmerzen. Ich bin sehr dankbar, dass ich überlebte“, sagt der Zuger. Dass sich der 81-Jährige von seinem schlechten Gesundheitszustand wieder erholte, verdankt er vor allem auch einer kleinen Gruppe von Frauen. Sie waren wie Engel für ihn, die ihn sanft an der Hand nahmen und ihn auf dem Weg zurück ins Leben begleiteten. Doch alles der Reihe nach.
Edi Knüsel und seine Frau Lisbeth sitzen in ihrer gemütlichen Wohnung in Zug. Bei Kaffee und Guetzli erzählen sie ihre berührende und faszinierende Geschichte, die sie 2014 erlebten. Es ist eine wahre Story, die davon zeugt, dass wir Menschen fast alles erreichen können, wenn wir unseren Willen und Kampfgeist nicht aufgeben. Es ist jedoch auch eine Geschichte voller menschlicher Wärme, Hoffnung und Nächstenliebe.
„Ich hatte grosses Glück“
Es war im Mai 2014, als der Zuger unerwartet und notfallmässig ins Spital eingeliefert wurde. Er, der seit 20 Jahren blutverdünnende Medikamente einnehmen musste, wäre zuhause in seiner Wohnung beinahe verblutet. Alles begann vermeintlich harmlos mit Nasenbluten. Weil seine Frau mit Freundinnen in Berlin unterwegs war und weil er die Watte, um die Blutung zu stoppen, nicht finden konnte, alarmierte er sicherheitshalber den Rettungsdienst. Diese erkannten den Ernst der Lage und eilten dem Rentner sofort zur Hilfe herbei. „Ich hatte grosses Glück. Man sagte mir später, dass ich ohne Hilfe nach einer Stunde gestorben wäre“, erzählt Knüsel.
„Ich habe mich gefürchtet“
Was aber war passiert? Der Hausarzt von Edi Knüsel hatte eine Umstellung zu einem neuen, blutverdünnenden Medikament angeordnet. Komplikationen traten auf, der Rentner litt unter massiven Lungenblutungen. Im Spital musste er für 3 Wochen in‘s künstliche Koma versetzt und während 2 Wochen tracheotomiert werden. Doch damit nicht genug. Der dreifache Familienvater erlitt zudem durch ein seltenes Bakterium eine schlimme Lungenentzündung. Sein Körper reagierte jedoch kaum auf die Medikamente, sein Herz wurde immer schwächer. „Er war extrem kaputt. Eines Tages sagte er zu mir, dass er den morgigen Tag vielleicht nicht mehr erleben werde“, berichtet seine Frau „Ich habe mich im Spital vor jeder Nacht gefürchtet. Immer wenn das Licht gelöscht wurde, litt ich unter Panikattacken. Ausserdem hatte ich furchtbaren Durst, durfte aber nichts trinken. In diesen Nächten blieb ich stundenlang wach und hatte grosse Angst“, gesteht Edi Knüsel.
Es war die Nachtwache des Spitals, welches das Ehepaar Knüsel auf das Angebot vom Verein Hospiz Zug aufmerksam machte. Der Verein ist auf die Begleitung schwer kranker und sterbender Menschen spezialisiert. Oberstes Ziel dabei ist es, den kranken Menschen volle Achtsamkeit zu schenken, ihnen zuzuhören, auf ihre Bedürfnisse einzugehen und damit zu einem würdevollen Sterben beizutragen. Die kostenlosen Begleitungen der ausgebildeten Freiwilligen finden jeweils zu Hause, im Spital, Heim und in enger Zusammenarbeit mit der Pflege statt.
Und dann kamen sie, die Engel!
Der frühere Kaufmann strahlt, als er sagt: „Die Frauen vom Verein Hospiz Zug haben mir unglaublich viel gegeben! Ich kann kaum in Worte fassen, wie dankbar ich ihnen bin. Ohne sie und ohne meine Frau wäre ich wohl nicht mehr hier“, meint er und blickt seine Frau liebevoll an. Die Hospiz-Begleiterinnen seien jeweils um 19.30 Uhr zu ihm ins Spitalzimmer gekommen. Schon der erste Abend sei für ihn sehr eindrücklich gewesen. „Die Frau hat mich freundlich begrüsst und mich nach meinem Wohlbefinden befragt. Sie sagte, sie sei nun bis am anderen Morgen um 8 Uhr für mich da. Anschliessend hat mich die ausgebildete Krankenschwester richtig gebettet.“ Die Frau sei sehr einfühlsam und herzlich gewesen. So habe sie ihm etwas zu trinken gegeben und auch seinen Wunsch, nachts ein Licht brennen zu lassen, erfüllt. „Sie hat sich auch dann für mich eingesetzt, als die zuständige Nachtwache das Licht wieder löschen und mir das Getränk verbieten wollte“, berichtet der Pensionär leicht triumphierend. Seine Frau lächelt.
Die erste Nacht sei schnell verflogen. „Die Hospiz-Frau hielt sanft meine linke Hand, was mir sehr gut tat. Sie bat mich, ihr meine Krankheits- und Lebensgeschichte zu erzählen. Sie erklärte mir, dass wir genügend Zeit hätten und ich schlafen dürfe, wenn ich müde sei. Zwischendurch bin ich tatsächlich eingeschlafen. Später erzählte sie mir von ihrem Leben. Das war sehr spannend für mich.“ 6 Nächte lang waren die Hospiz-Begleitenden für Edi Knüsel da. „Ich habe mich extrem wohlgefühlt. Keine von ihnen erwähnte den Tod. Sie alle unterstützen mich dabei, weiter zu kämpfen. Ich habe mich jeden Abend auf sie gefreut“, schwärmt der Zuger. Und Lisbeth Knüsel betont: „Hospiz Zug war auch für mich eine grosse Entlastung. Ich wusste, dass Edi gut aufgehoben ist. So konnte ich daheim ruhig schlafen.“
„Liebe, Hoffnung und Glaube“
Warum aber hat es der Zuger geschafft, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen und wieder zu Kräften zu kommen? Er lächelt und antwortet: „Weil diese Frauen es verstanden haben, mich aufzustellen und zu motivieren. Sie sagten, dass ich eine tolle Familie habe und es keinen Grund gebe, diese schon zu verlassen. Ihre Worte und ihre Unterstützung waren von Liebe, Hoffnung und Glaube geprägt. Das hat mir geholfen. Ich habe dank ihnen und meiner Frau den Glauben daran, dass ich überleben werde, nie aufgegeben.“
Er und seine Frau schätzen seither die gemeinsame Zeit, die sie verbringen dürfen, noch mehr. Inzwischen sind sie Mitglieder vom Verein Hospiz Zug geworden. Beide sagen: „Wir raten Menschen in einer ähnlichen Situation, von dieser Unterstützung Gebrauch zu machen. Das Hospiz Zug kann auch ihnen eine grosse Stütze sein. Sie machen das mit viel Hingabe und einer extremen positiven Ausstrahlung, die ansteckend ist.“
Edi Knüsel geniesst einen Schluck Kaffee, bevor er mit Überzeugung bekannt gibt: „Und jetzt ist meine Vision, mindestens 90 Jahre alt zu werden.“
Hinweis: Weitere Informationen zum Verein Hospiz Zug unter www.hospiz-zug.ch, Natel 079 324 64 46.