Wer ein Baby oder Kinder hat, der weiss: Diese kleinen Lebewesen schaffen es immer wieder, unsere Welt auf den Kopf zu stellen. Von einem solchen Erlebnis und anderen Geschichten handelt dieser Text.

Menschen brauchen Menschen, um wachsen und sich weiter entwickeln zu können. Wenn ich aber jeweils Bus oder Zug fahre, scheint mir, dass sich die meisten Menschen so verhalten, als ob sie sehr gut alleine zurecht kämen. Gibt es freie Plätze, dann verteilen sich die Leute überall. Bloss nicht nebeneinander sitzen! Bloss nichts zueinander sagen! Man schaut sich ja nicht einmal mehr in die Augen. In Cafes oder auf Spielplätzen fällt mir oft auf, dass uns die wenigsten Eltern zurück grüssen. Ich sage dann manchmal bewusst und leicht provokativ „Guätä Morgäää“ oder „Grüäziii“. Ab und zu ernte ich komische Blicke, manchmal schauen die Mamis und Dädis schnell weg. Ich finde das schräg – und traurig. Ist das typisch schweizerisch? Ich weiss es nicht. 

Wenig Zähne, viel Freude
In Südamerika habe ich dies anders erlebt. Natürlich war ich da die Fremde mit den blonden Haaren, doch die allermeisten Menschen reagierten sehr offen auf mich. Da ich mehrheitlich alleine reiste, war es einfach, mit den Südamerikanern in Kontakt zu kommen. Ich lernte Hernandez, den Argentinier kennen. Der ältere Herr hatte nur noch drei Zähne, doch er besass das schönste Lächeln und so viel Lebensfreude! Oder Lina, die Marktfrau aus Bolivien. Sie hatte immer Zeit für einen Schwatz, während sie mir feinste Früchte verkaufte. In einem bolivianischen Bus kuschelte sogar ein kleines Mädchen mit mir, weil seine Mutter noch viele andere Kinder und zuwenig Zeit für alle hatte. Das Kind schlief in meinen Armen ein. Und die Peruaner meinten jeweils, dass wir Schweizer (allen voran ich) so viel Schokolade essen würden, weil es bei uns so kalt sei.

Liz, die Engländerin
Als ich kürzlich mit dem Zug von Arth-Goldau nach Zürich fuhr, begegnete ich Liz. Die Engländerin telefonierte mit ihrem Mann und schwärmte von der Schweiz. „Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie schön die Berge und Seen hier sind. Wir müssen hier unbedingt Ferien machen“ sagte sie zu ihm. Später kamen wir ins Gespräch und sie erzählte mir, dass sie auf einer Weiterbildung war. Wir verstanden uns auf Anhieb.

In Zug stiegen wir auf den nächsten Zug um und nahmen in einem neuen Abteil Platz. Ich hatte unsere kleinere Tochter dabei und beobachtete amüsiert, wie sie, das wenige Monate alte Baby, die Menschen um uns sofort verzauberte. Das ältere Paar, die Kinder und ein paar weitere Gäste waren sichtlich fasziniert von ihr. Was tat Joana? Sie lächelte, drehte immer wieder ihren Kopf, um möglichst viele Menschen zu sehen. Und sie gluckste vergnügt. „So einfach ist es doch eigentlich“, dachte ich mir. Was Babys intuitiv richtig machen, haben wir Erwachsenen wohl bereits verlernt.

Smartphones, viele Smartphones!
Auf dem Heimweg bot sich mir ein komplett anderes Bild: Unser Baby und ich reisten wieder mit der Bahn, und dieses Mal mit Hunderten Pendlern. Ich hatte uns extra ein 1.Klasse-Ticket gekauft, damit wir etwas mehr Ruhe geniessen durften. Doch ich war irritiert: Alle Menschen rund um uns starrten auf ihre Smartphones. Drei Gäste hatten sogar ihren Laptop dabei und wirkten total „busy“. Nur zwei Frauen sprachen miteinander, schauten dabei jedoch auch ständig auf ihre Smartphones. Ich fühlte mich nicht wohl. Es war irgendwie kalt, hektisch, lieblos.

Kleines Baby, oho!
Doch dann geschah etwas Spannendes: Baby Joana machte die Passagiere mit ihren Geräuschen auf sich aufmerksam. Die zuvor noch sehr beschäftige Italienerin klappte ihren Laptop plötzlich zu und begann Joana zu beobachten. In ihren Augen entdeckte ich ein Strahlen. Auch der elegant gekleidete Herr neben mir tat es ihr nach. Einige Gäste blickten auf. Joana selber schien es zu gefallen, wieder einmal Mittelpunkt ihrer kleinen Welt zu sein. Wir, die vielen Gäste im Zug, sprachen zwar nicht miteinander, doch die Atmosphäre im Abteil hatte sich verändert. Viele Reisende blickten zu Joana, die meisten lächelten. Es schien mir, dass sie, das kleine Wesen, es schaffte, uns Erwachsenen vorzuzeigen, wie einfach und natürlich es ist, Menschen miteinander zu verbinden.

Viel Geschrei
Gegen Ende der Reise zeigte unsere Tochter dann doch noch ihre andere Seite: Sie schrie, was das Zeug hielt! Nun drehten sich einige Gäste in der Bahn um. Ein Italiener hinter mir nahm sofort seinen Schlüsselbund hervor und liess sie damit spielen. Joana beruhigte sich, ich entspannte mich. Wieder Lächeln. Ist es nicht beeindruckend, wie ehrlich Babys kommunizieren und uns an ihrer Gefühlswelt teilhaben lassen? Nur wir Erwachsenen machen oft ein Drama, wenn es um unsere Gefühle geht.

Auch ich habe mir vorgenommen, Menschen wieder vermehrt in die Augen zu schauen und ihnen ein Lächeln zu schenken. Es ist sehr einfach und kann so viel verändern. Denn mal ehrlich: wir alle sehnen uns doch nach etwas mehr Freundlichkeit und Herzlichkeit auf dieser Welt.