Von der Suche eines asiatischen Flüchtlings nach einem besseren Leben. Und wie eine einzige Geste möglicherweise viel Unheil abwenden konnte.
Sie ist eine Kraft, die wir Menschen geschenkt bekommen haben. Wenn diese Macht zu unserem inneren Kompass wird, dann werden wir Grosses auf der Erde bewegen können. Die Liebe grenzt nichts und niemanden aus. Vielleicht werden wir erst nur wenige Menschen sein, die mit der Fackel der Liebe mutig und konsequent den Weg voran schreiten. Doch wenn das Feld erst mit den Samen der Lieb besät wurde, erwachsen und erblühen daraus unendlich viele neue Sprossen, die zu starken Pflanzen reifen können.
Dass Liebe ansteckend wirkt, durfte ich letzte Woche erfahren. Ich war mit dem Zug auf dem Weg nach Liestal, um dort bei Martin zu tanzen. Im Zug setzte sich ein Asiate mir gegenüber. Als die Kondukteurin kam, stellte sie fest, dass er ein falsches Ticket gelöst hatte. Auf seinem Zugsbillet stand Zürich statt Basel. Mit leicht verärgerter Stimme fragte die Frau nach dem Grund. Der Mann erklärte, dass er nach Zürich wolle und wohl im falschen Zug gelandet sei. Die Frau erwiderte, dass er zusätzlich Geld bezahlen und in Luzern umsteigen müsse. Der Asiate wirkte eingeschüchtert und sagte, dass er zu wenig Geld habe. „Please help me“ bat er die Frau. In seiner Stimme lag Furcht. Hilflosigkeit.
Die Stimmung im Zug war angespannt. Alle blickten auf die Kontrolleurin und den Asiaten. „Ich werde das Geld bezahlen“, sagte ich. Der Asiate bedankte sich mehrmals. Ich bezahlte die 12 Franken und 40 Rappen und die Kontrolleurin ging weiter. Nun geschah für mich etwas Spannendes: Wo vorher noch alle geschwiegen und auf ihre Handys gestarrt hatten, begannen die zwei Männer neben uns nun ein Gespräch. War es diese Geste der Liebe, die im Zugsabteil spürbar wurde? Einer der zwei Männer bedankte sich bei mir.
Auch der Mann aus Asien und ich begannen nun zu quatschen. Er kam aus Bangladesch. Er erzählte mir, dass er mit einer Schlepperfirma nach Kroatien kam, um dort Geld zu verdienen. Doch entgegen der Versprechen der Schlepper kümmerte sich dort niemand um ihn. Es gab keine Arbeit und man stellte den Mann auf die Strasse. So reiste der Flüchtling nach Italien, wo er auf einem Bahnhof schlief. Von Italien führte seine Reise nun nach Basel, wo er über die Grenze gehen und weiter nach Spanien reisen wollte. „Dort kann ich legal im Land sein und nach Arbeit suchen“, sagte er zu mir.
Wenn wir ein offenes Herz haben, dann können wir fühlen und erahnen, welche Strapazen dieser Mann in den letzten Tagen alles erlebt haben musste. Er muss Ängste durchgestanden haben, gefroren und gelitten haben. Der Mann hatte nur einen kleinen Rucksack dabei. Dies war sein ganzer Besitz. Er musste in Italien um Wasser betteln. Die Polizei liess ihn nur auf dem Bahnhof schlafen, weil sie wusste, dass er weiter reisen würde. Ich vermutete, dass das Ticket von Italien nach Zürich vielleicht günstiger als eines nach Basel war. Oder er hatte einfach falsch gewählt und angenommen, dass Zürich der Grenzort war.
Der Mann nutzte mein Handy als Hotspot, sodass wir gemeinsam seine Frau in Bangladesch anrufen konnten. Sie machte sich grosse Sorgen um ihn, weil sie über längere Zeit nichts von ihm hörte. Ich durfte sie und ihren gemeinsamen 5 Monate alten Sohn sehen. Es hat mich sehr berührt. Ich hätte dieser kleinen Familie gewünscht, dass sie zusammen sein könnte. Auch die Eltern des Mannes konnte ich über WhatsApp sehen. Der Asiate sagte zu mir, dass sie in Rente seien und keine Unterstützung vom Staat bekämen. Dies sei der Grund, dass er nach Europa gekommen sei. Um so das Leid der Familie zu lindern. Er habe kein Ticket zurück nach Bangladesch. Die Hoffnung und das Glück der ganzen Familie lastet auf seinen Schultern.
Eine heikle Situation
Nachdem der Zug von Luzern losgefahren war, kam die Kontrolleurin wieder vorbei. Sie war überrascht, dass der Asiate immer noch im Zug war. Ich erklärte ihr die Situation. Ich spürte, dass sie sehr wütend war. Sie muss sich hintergangen gefühlt haben. „Don’t do that“, sagte sie unmissverständlich zu dem Mann. Sie blieb bei uns stehen. Die Situation war heikel, weil die Frau erkannt hatte, dass hier ein illegaler Flüchtling sass, der geschwindelt hatte. Das hätte viele Probleme geben können. Sie wollte weiter schimpfen, als ich ihr liebevoll in die Augen schaute und mit meiner Hand eine Geste zeigte. Es war diese beschwichtigende Geste, um jemandem ohne Worte zu vermitteln: „Bitte, beruhigen und entspannen Sie sich.“
Wie durch ein Wunder wirkte das. Die Kondukteurin blickte nochmals zum Mann und ging weiter. Der Asiate fragte mich: „Wird es Probleme geben? Wird die Polizei kommen?“ „Nein“, antwortete ich. „Thank you, thank you“ erwiderte er und legte seine Hand auf sein Herz.
Ich habe diese Szene mit der Kontrolleurin später mehrmals im Innern nochmals durchgespielt. Zwei Sachen sind mir dabei aufgefallen: 1. Ich habe intuitiv gehandelt. Es gab keinen Plan, keine Absicht. 2. Die Frau muss das unbewusst wahrgenommen und dementsprechend reagiert haben. Hier hat die Macht der Liebe reagiert. Denn natürlich hätte ein menschlicher Verstand viele Probleme daraus inszenieren können.
Zeigt uns dieses Beispiel nicht eindrücklich, was die Kraft der Liebe bewegen und verändern kann?
Der Mann aus Asien ist inzwischen in Spanien angekommen. Er hat noch keinen Job gefunden. Weil er zu wenig Geld besitzt, schläft er auf der Strasse. Können wir diesem Menschen gemeinsam helfen und Geld zu ihm senden, damit er irgendwo in einem Hostel schlafen kann? Oder kennst Du vielleicht jemanden, der in Madrid eine Hilfe in seinem Betrieb gebrauchen kann?
Wenn Du es Dir leisten kannst, zu helfen, danke ich Dir von Herzen. Und ich danke Dir, dass Du Dich immer wieder berühren lässt und so die Fackel der Liebe um die ganze Welt reisen kann.