Wir alle haben Wildes in uns. Irgendwo schlummert da noch ein Hippie. Eine Pippi Langstrumpf. Oder der Punk in uns. Und manchmal melden sich diese lebendigen Anteile. Zum Glück! Leider erlauben wir uns oft nicht, ihnen zuzuhören. Wir gestehen uns viele Dinge im Leben nicht ein. Weil wir den Mut nicht haben. Weil wir nicht auffallen wollen. Oder weil wir irgendwelche Befürchtungen haben – die in der Regel nie eintreten.

Mindfuck
Dr. Petra Bock nennt dies Mindfuck: „Wir werden täglich zum Opfer von Mindfuck. Wenn wir versuchen, es anderen recht zu machen, und darüber unsere eigenen Bedürfnisse vergessen. Wenn wir uns selbst kritisieren und abwerten. Wenn wir uns an starre Regeln halten, anstatt selbstbewusst unseren Weg zu gehen. Wenn wir dauerhaft unter unseren Möglichkeiten bleiben“, schreibt sie in ihrem Buch „Mindfuck“.

Der beste Coiffeur: Alexander Kaiser
Ich sass bei meinem Coiffeur Alexander Kaiser http://www.art-coiffure.ch in Zürich. Seit vielen Jahren vertraue ich ihm meine Haare an. Für mich ist er der Beste. Der spannendste Coiffeur. Weil er extrem viel Erfahrung und unglaublich gute Ideen hat. Und weil er ein wenig crazy ist. Ein Meister der wilden, farbigen verrückten und coolen Frisuren.

Wir sprachen davon, ein paar blonde Strähnchen farbig zu färben. Alexander wusste genau, welche Farben ich liebte. Während wir diskutierten, hörte ich mich selber reden. „Ich würde ja gerne noch mehr färben. Als Therapeutin kann ich aber nicht solche Haare haben“, sagte ich etwa.

Pippi Langstrumpf meldet sich
Doch dann kam die Pippi Langstrumpf in mir auf den Plan: „Wieso nicht?“ fragte sie. „Was ändert denn schon eine Farbe?“ meinte sie. Ich erkannte meinen Mindfuck. Damit stand das Tor zur Veränderung offen. Der erste Schritt war getan. Alexander hatte coole Ideen. Er meinte: „Du kannst das tragen. Es wird zu Dir passen. Du bist der Typ dafür.“

2.5 Stunden später war ein Teil meiner Haare pink. Andere rosa. Ich fühlte mich super. Frei. Wild. Es gab mir einen Kick.

„Äsooooo wüäscht!“
In Zürich fiel ich mit meiner neuen Frisur nicht auf. Zürich ist verrückt. Tolerant. Flexibel. Das liebe ich an der Stadt. In Bisisthal war es etwas anders. „Wieso hesch du nur d Haar äso gfärbt? Äs isch äsooooo wüäscht“, sagte etwa mein Onkel. Seine Aussage fand ich amüsant. Ich erwartete nicht, dass er mich verstand. Ich rechtfertigte mich nicht.

Mein Leben, meine Freiheit
Und das ist genau der Punkt: Es geht andere Menschen überhaupt nichts an, wie wir unser Leben leben. Wir müssen uns niemandem erklären. Wir dürfen anders sein. Wir können neue Wege wählen. Dinge tun, welche die Mehrheit doof findet. Beginnt nicht genau da oft der Spass? Wenn wir experimentieren. Spielen. Die Leute denken und reden lassen, was sie wollen. Das tun sie ja sowieso.

Die Reaktionen auf mein Farb-Experiment waren sehr unterschiedlich. Meine Mama reagierte cool. Sie meinte, man solle Sachen, die einem gefallen, einfach tun. Jawohl! In Luzern schien man jedoch anderer Meinung zu sein. Da blieben Menschen stehen. Drehten sich um. Musterten mich von oben bis unten.

Und plötzlich gab es Bemerkungen. Etwa Kritik, wenn unsere Tochter im Buggy lag. Ja, sie liegt gerne! Sie darf das. Wir haben keine starre Vision, wie sie sein muss. Wir erziehen keinen Soldaten, keine Maschinen oder Roboter, sondern ein Kind. Unsere Tochter soll vor allem so sein, wie sie sich wohl fühlt. Wenn sie gerne liegt, tip top. Manchmal steht sie sogar im Buggy. Jesses!  Was fällt ihr nur ein!

Zu farbig, zu wild!
Eine Frau sagte mit lauter, dominanter Stimme: „Das arme Kind muss an die Füsse frieren.“ Viele Damen starrten zuerst mich, dann unsere Tochter, wieder mich und erneut unsere Tochter an. Da realisierte ich: Die glauben echt, dass eine Frau mit farbigen Haaren kein Kind erziehen kann. Zu viel Farbe! Zu viel Lebendigkeit! Zu viel Freiheit! Zu viel anders. Zu viel Überforderung für sie. Vermutlich sind das Menschen, die eine präzise Vorstellung davon haben, wie das Leben sein muss. Sie leben in einem furchtbar kleinen, engen Raum. Einem Gefängnis, das sie sich selber gebaut haben. Sie meinen, genau zu wissen, was sein darf und was nicht. In der Regel sind das Personen, die sagen: „Das macht man nicht! Das geht einfach nicht! Das darf man nicht! Das gibt es nicht! Sowas tun wir nicht!“

Der Punk in mir
Vielleicht sahen sie einen Punk in mir. Super! Ein Kompliment. Punk drückt ja vor allem eine rebellische Haltung aus. Punk ist selten konstruktiv und schon gar nicht gesellschaftskonform. Ja, das passt. Das unterschreibe ich.

Und so tat ich das Beste, was man in solchen Augenblicken tun kann: Ignorieren. Keine Beachtung schenken. Lachen. Nur wenn ich auf diese Leute reagiere, nehme ich sie ernst. Andernfalls sind sie mir egal. Einmal aber, als mich eine Verkäuferin im Coop Luzern nach einem kritischen Blick auf meine Haare unfreundlich und auch respektlos empfing, hatte ich die Schnauze voll. Ich reagierte laut, gereizt und provokativ. Ich spiegelte ihr Verhalten. Da verwandelte sich der Drache sofort in ein Häschen. Spannend, nicht?

Natürlich bedaure ich solche Menschen, weil ich weiss, wie frustriert sie sein müssen. Vermutlich haben sie nie ihr eigenes Leben gelebt. Sich immer angepasst. Sind nie aus der Reihe getanzt. Immer mit dem Strom geschwommen. Das muss echt öde sein. Kein Wunder, dass sie gereizt sind. Intolerant. Wütend. Natürlich auf die Anderen. Nie auf sich selbst. Denn dann müsste man sich ja selbst verändern. „Das geht doch nicht!“

Ich frage mich, ob es in Deinem Leben auch Mindfucks gibt? Dinge, die Du Dir nicht erlaubst? Willst Du diese Hindernisse  loswerden? Neues Wagen? Endlich echt Du sein? Echt schräg? Echt anders? Echt so, wie es für Dich stimmt?

Dann mach es einfach. Wirf die innere, kritische Stimme über Bord. Und fahr oder flieg ohne sie weiter. In eine neue Richtung. Mit mehr Leichtigkeit. Und neuen Farben. Weil das richtig cool ist. Weil es Dein Leben ist. Weil Du der Chef bist.

Hey Pippi Langstrumpf, trallari trallahey tralla hoppsasa. Hey Pippi Langstrumpf, die macht was ihr gefällt.